Herzrasen, Schlaflosigkeit, Erinnerungslücken, Niedergeschlagenheit auch noch einige Zeit nach dem Einsatz? Solche und viele weitere Anzeichen können Symptome dafür sein, dass ein Einsatz psychisch noch nicht verarbeitet werden konnte. Der Bewältigungsmechanismus des Einzelnen kann dann nicht mehr ausreichen. Welche Ereignisse als besonders belastend empfunden werden, ist individuell sehr verschieden. Sicher ist jedoch: Hilfe wird benötigt, damit einer möglichen langfristigen psychischen Krankheit entgegengewirkt werden kann!

Einsatznachsorgeteam (ENT)

Ein Einsatz kann psychisch belastend sein. Bei der Bewältigung der Erlebnisse unterstützt das Einsatznachsorgeteam hauptsächlich die Einsatzkräfte des THW. Das Team ist spezialisiert auf die psychosoziale Betreuung in und nach belastenden Einsatzsituationen und überbrückt die Phase bis zur Übernahme durch eine entsprechend qualifizierte Fachkraft, wie durch eine Psychologin oder einen Psychologen. Die Einsatznachsorgeteams (ENT) setzen sich aus erfahrenen, speziell geschulten THW-Einsatzkräften und psychosozialen Fachkräften des THW zusammen. In allen Landesverbänden gibt es diese Teams, um eine optimale Betreuung sicherzustellen. Denn, dem THW liegt die Gesundheit seiner Einsatzkräfte am Herzen.

Aufgaben des ENT

Die Hauptaufgabe des ENT ist dabei aber nicht die Einsatznachsorge, wie der Name des Teames vermuten lässt, sondern vielmehr die vorbeugende Sensibilsierung und Ausbildung aller THW-Angehörigen (Primäre Prävention). Die Einsatzkräfte werden trainiert, eine solche Belastung zu erkennen, sich davor zu schützen bzw. diese abzubauen. Sie lernen auch rechtzeitig externe Hilfe anzufordern, wenn der Eigenschutz nicht mehr ausreicht.

Aber die ENT stehen bei Einsätzen, die zu einer psychosozialen Belastung führen können, auch für Nachorgegespräche in verschiedensten Varianten zur Verfügung. In der Regel erfolgt ein strukturierter Einsatzabschluss, bei dem die Helferinnen und Helfer über mögliche Reaktionen aufgrund der besonderen Situation des Einsatzes informiert werden. Später kann ein Einsatznachsorgegespräch stattfinden, in dem die beteiligten Kräfte über ihre Empfindungen bzgl. des Einsatzes und eigene Reaktionen sprechen. Wenn gewünscht, werden mit besonders betroffenen Helferinnen und Helfern auch Einzelgespräche geführt.

Bei besonders belastenden Einsätzen werden die ENT auch direkt an der Einsatzstelle zur zeitnahen Beratung der Führungskräfte und ggf. Betreuung der Einsatzkräfte eingesetzt. In der Regel erfolgt der ENT-Einsatz aber rückwärtig und außerhalb der Einsatzstelle.

Sollte es zu einer dauerhaften Belastung kommen, erfolgt eine therapeutische Behandlung, die allerdings nicht durch das ENT selbst geleistet wird. Die hierdurch entstehenden Kosten trägt die Unfallversicherung Bund-Bahn (UVB) in ihrer Eigenschaft als Unfallversicherungsträger aller THW-Angehörigen.

Belastende Einsätze

Insbesondere bei Einsätzen mit vielen Verletzten, mit Toten, wenn nach Unfällen Kinder zu den Opfern zählen, eigene Kameradinnen oder Kameraden verletzt werden oder der Einsatz länger andauert, kann dies als besondere Belastung empfunden werden. Dabei ist nicht das Ausmaß des Einsatzes entscheidend, sondern maßgeblich das persönliche Empfinden der Helferinnen und Helfer. Gehen THW-Einsatzkräfte unvorbereitet in derartige Einsätze und fehlt es dann an einer vernünftigen Aufarbeitung des Geschehens, riskieren sie ihre Gesundheit.

Mögliche Reaktionen:

Außergewöhnliche belastende Ereignisse wie Unfälle oder Katastrophen rufen bei vielen Menschen vorübergehend starke Reaktionen und Gefühle hervor. Davon können auch Helfer betroffen sein. Unmittelbar nach einem solchen Erlebnis können zum Beispiel folgende Reaktionen auftreten:

• Hilflosigkeit und Angst

• Niedergeschlagenheit

• Schuldgefühle

• Heftige Stimmungsschwankungen

• Orientierungslosigkeit und Ratlosigkeit

• Unfähigkeit, alltägliche Handlungen auszuführen

Diese und ähnliche Reaktionen sind nach einem außergewöhnlich belastenden Ereignis normal. Die Reaktionen lassen meist nach wenigen Stunden/Tagen nach. Manchmal können aber auch zusätzliche

Beschwerden auftreten, wie z.B.:

• Starke Nervosität, Schreckhaftigkeit

• Schlafstörungen, Albträume

• Gefühl der Sinnlosigkeit, Hoffnungslosigkeit

• Erinnerungslücken, Konzentrationsprobleme

• Quälende Erinnerungen oder Bilder

• Appetitlosigkeit, starke Müdigkeit

• Verstärktes Bedürfnis nach Alkohol oder Beruhigungsmitteln

Auch diese Reaktionen lassen üblicherweise von Woche zu Woche nach und verschwinden schließlich ganz. Das können Sie für sich selbst tun, wenn Sie ein besonders belastendes Ereignis erlebt haben, kann es hilfreich sein, sich Ruhe zu gönnen.

• Achten Sie vermehrt auf Ihre momentanen Bedürfnisse und nehmen Sie sich Zeit dafür.

• Nehmen Sie sich Zeit für sich selbst und ihre Verarbeitung.

• Unterdrücken Sie Ihre Gefühle nicht, sprechen Sie mit vertrauten Personen darüber.

• Versuchen Sie, sobald als möglich zu Ihrem gewohnten Alltagsablauf zurückzukehren.

• Erwarten Sie nicht, dass die Zeit Ihre Erinnerungen einfach auslöscht. Ihre momentanen Gefühle werden Sie noch länger beschäftigen.

• Verbringen Sie Zeit mit jenen Dingen, die Ihnen üblicherweise Freude bereiten und zur Entspannung dienen.

• Zögern Sie nicht, die Hilfe Ihres ENT in Anspruch zu nehmen.

 

Was können Angehörige und Freunde tun?

Das Verständnis von Angehörigen und Freunden kann sehr viel dazu beitragen, dass die Betroffenen mit dem Erlebten besser zu Recht kommen. Oft tut schon das Gefühl nicht allein zu sein sehr gut.

Wenn Betroffene über ihre Erlebnisse sprechen, dann

• hören Sie zu

• nehmen sie sich viel Zeit

• nehmen sie die Gefühle der Betroffenen ernst

Nach manchen Ereignissen ist es notwendig, verschiedene Dinge zu organisieren und zu erledigen. Eine praktische Unterstützung kann sehr entlastend wirken. Grundsätzlich ist es wichtig, die Betroffenen dabei zu unterstützen, dass sie sobald wie möglich den gewohnten Tagesablauf wieder aufnehmen können.

Weitere Hilfe:

Es kommt vor, dass Ereignisse so stark belasten, dass es ratsam erscheint, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die zuvor beschriebenen normalen Reaktionen länger als 4 Wochen andauern.

Besondere Anzeichen sind, wenn…

• Sie den Eindruck haben, dass sich Ihre Empfindungen

und Gefühle während langer Zeit nicht wieder

normalisieren

• Sie ständig von Alpträumen gequält werden oder

andauernd an Schlafstörungen leiden.

• Sie häufig ungewollte Erinnerungen an das Ereignis

haben

• Sie gewisse Situationen oder Orte meiden, die Sie an

das Ereignis erinnern

• Sie seit dem Ereignis (mehr) rauchen, trinken, andere

Drogen oder Medikamente einnehmen

• Ihre Arbeitsleistung dauerhaft nachlässt

• Ihre Beziehung stark darunter leidet oder sich sexuelle

Schwierigkeiten entwickelt haben

• Sie mit niemandem sprechen können, obwohl Sie das

Bedürfnis dazu haben

Nehmen Sie diese Zeichen ernst. Es ist dann besonders wichtig, Hilfe von außen in Anspruch zu  nehmen, um ernsthafte Folgeerkrankungen zu vermeiden. Bundesweit gibt es eine Reihe von Institutionen, die Sie unterstützen können. Dazu gehören z.B. Beratungsstellen, Psychotherapeuten, Seelsorger und Ärzte. Adressen kann Ihnen Ihr Einsatznachsorgeteam mitteilen.

Angebote des ENT

• Aus- und Fortbildung aller Helferinnen und Helfer in Bezug auf mögliche Belastungen, die natürlichen Schutzmechanismen, Bewältigungsstrategien und die Unterstützungsmöglichkeiten durch das Einsatznachsorgeteam
• Aus- und Fortbildung von Führungskräften in Bezug auf Fürsorge und Einfluss des Vorgesetzten auf die psychische Belastbarkeit von Einsatzkräfte
• Begleitung von Einsatzkräften vor, während und nach belastenden Einsätzen
 

Teamzusammensetzung

Die ENT bestehen aus mind. elf sogenannten PEERS (engl. = gleichrangig) und mind. drei psychosozialen Fachkräften. Die PEERS sind “normale” THW-Angehörige, die sich für diese Aufgabe in Zweitfunktion ausbilden lassen. Die Psychosozialen Fachkräfte hingegen müssen eine entsprechende berufliche Qualifikation als z.B. Pädagoge, Psychologe etc. mitbringen. Alle gemeinsam werden aber durch das THW nach der international anerkannten CISM-Methode fortgebildet. CISM steht dabei für Critical Incident Stresss Management und beschreibt eine sehr strukturierte Methode der Verarbeitung belastender Eindrücke.

Vernetzung

Die ENT sind stark mit den anderen Mitwirkenden in diesem Bereich, z.B. der Notfalfseelsorge, PSU-Teams, Kriseninterventionsteams etc. vernetzt. Auch europaweit bestehen Kontakte zu vergleichbaren Teams der Zivilschutzorganisationen anderer Nationen. 

Anforderung und Erreichbarkeit

Die Anforderung des ENT erfolgt für laufende Einsätze grundsätzlich durch den zuständigen LuK-Stab auf dem Dienstweg über die Rufbereitschaft des THW-Landesverbandes NRW.
Jede Helferin und jeder Helfer kann direkt mit einer psychosozialen Fachkraft Kontakt aufnehmen. Im Einsatz ist das Einsatznachsorgeteam rund um die Uhr erreichbar.